Aleister Crowley
 

 

 

Er war

ein

begabter Poet, dessen Gedichte in bekannten Anthologien erhalten sind,

ein

berühmter Himalaya- Bergsteiger,

ein

Schachmeister, der als Blind- und Simultanschachspieler gefürchtet war,

ein

frühreifer Lebemann, der sich schon mit 13 den 3 "Evil Kings" (üblen Königen) verschrieben hatte: "Smo-King, Drin-King und Fuck-King",

ein

imposanter Maler,

ein

Pornograph, der sich spitzbübisch freute, eine versteckte Sauerrei in einem Gedichtband mit Marienhymnen eingebracht zu haben,

ein

Yogameister,

ein

glühender Nitzsche-Verehrer,

ein

kompromissloser Christenhasser,

ein

beißender Zyniker,

ein

Lieblingskind der Skandalpresse,

ein

Bankrotteur,

ein

Heroinsüchtiger, der sich mit strenger Selbstdisziplin für 15 Jahre der Droge entwöhnte,

ein

streckenweise erfolgreicher Schriftsteller,

ein

profunder Kenner esoterischer Traditionen,

die

Hauptfigur Oliver Haddo in Somerset Maughams Roman "The Magician",

ein

unwiderstehlicher Charmeur,

ein

bisexueller Sadomasochist,

ein

großer Menschenkenner,

ein

grenzenloser Egozentriker,

die

Reinkarnation von Lao Tse, Cagliostro und Eliphas Levi (nach eigenem Bekunden),

ein

gnadenloser Provokateur und scharfzüngiger Spötter,

ein

scharfdenkender Rationalist, der die Kirchen und die Mystiker als Fantasten angriff,

ein

großer Mystiker, der die Rationalisten ob ihrer Fantasielosigkeit beschimpfte,

ein

überlegener Ironiker,

ein

Magier, der Winston Churchill die Fingergeste "V" (für Victory) als Gegenzauber zum magischen Hakenkreuz der Deutschen empfahl,

ein

höchst geistreicher und gebildeter Mann,

ein

Mensch, der nur eines wollte: ALLES!

 

 

Der Mann, sein Leben und sein Werk

 

Um es sofort am Anfang zu sagen, dieser Text lehrt nicht, wie man Magier wird, es werden keine Abhandlungen magischer Theorie und Praxis gegeben. Das war auch nicht Absicht. Es gibt viele Aussagen, Meinungen und Behauptungen über die Person Aleister Crowleys. Leider stützen diese sich im Allgemeinen nicht auf zutreffende Informationen. Die Absicht dieser Ausarbeitung ist lediglich, hier ein wenig Licht zu schaffen über die Person und das Leben Crowleys. Weil man bei so etwas auch die Zeit, die politische und kulturelle Konstellation berücksichtigen muß, wird auch darüber ein wenig erzählt. Es soll auch als Anstoß dienen, sich selber weiter zu informieren, entweder über die Geschichte und die Entwicklung des Okkultismus in Europa, dazu gibt es am Ende eine feine Literaturempfehlung, oder über die Magie Crowleys; dazu sollte man sich selber wenigstens die grundlegenden Werke zulegen und sie gründlich lesen. Da es sehr viel über Crowley zu sagen gibt, ist hier eine kleine Auswahl gemacht, und die Information in diesem Text ist ganz allein die persönliche Wahl des Autors.

In 1875 gründete die Russin Helena Petrovna Blavatsky (HPB) in New York die "Theosophische Gesellschaft". Theosophie bedeutet "Lehre vom Göttlichen / von Gott", und darum ging es HPB; sie wollte den Menschen den Zugang zu diesem Göttlichen erschließen. Der Zeitpunkt dazu war günstig; einige Jahrzehnten zuvor hatte der Spiritismus sich über die USA und Europa verbreitet und hatte das Interesse an okkulten Sachen wiedererweckt.

Aber auch der Franzose Eliphas Levi hatte schon zuvor, als einer der Begründer der Wiederbelebung der Magie, dazu beigetragen. Im Jahr der Gründung der TG, also 1875, stirbt Levi.

Und das gleiche Jahr 1875 brachte noch mehr:

Der englische Magier Edward Alexander Crowley, der später als Aleister Crowley bekannt wird, wurde geboren, der amerikanische Sexualmagier Randolph macht auf sich und auf seine Werke aufmerksam, indem er einen spektakulären Freitot wählt, und Rudolf Glauer wird geboren, der später als Freiherr von Sebottendorf die Thule-Gesellschaft leitet und als Wegbereiter der NSDAP bekannt wird.

Etwas später wird in England die SRIA gegründet, (Societas Rosicruciana In Anglia), und in Frankreich entstehen, durch die okkulten Publikationen von Levi kleinere okkulte Gruppen.

Aber mit der Gründung der TG geht es weltweit los; eine riesige esoterische Welle geht durch die ganze westliche Welt. Viele Begriffe, die in Magie und Esoterik heutzutage normal sind, wurden durch die TG an das große Publikum gegeben. Fragmente aus fernöstlicher Kultur und Religion hatten ihren Eintritt in den westlichen Okkultismus; Einflüsse, die bis heute noch bestehen:

Durch HPB waren Begriffe wie Yoga, Tantra, Karma und Reinkarnation auch in Europa Gemeingut geworden.

Und gerade diese Entwicklung war vielen Okkultisten ein Dorn im Auge; das erleuchtete Wissen sollte nur denen bekannt sein, die damit gut umgehen konnten, magische Praxis kann, in Händen von Laien und unverantwortlichen Menschen großen Schaden anrichten. Deshalb eilte Ende des 19. Jahrhundert der elitäre Schlachtruf durch die Welt: Okkultes Wissen muß Geheimwissen sein.

Damit wird der Startschuß gegeben für einen Wildwuchs von Geheimorden, Geheimbünden, Einweihungstempeln, Bruderschaften und ähnlichem.

Aus der TG entstanden viele neue Richtungen der Magie, Mystik und Philosophie; z.B. die Antroposophie von Rudolf Steiner, die noch immer in den sog. Walldorfschulen wiederzufinden ist.

Nach Blavatskis Tod gab es sehr viele Interessenten, die den hinterlassenen esoterischen Kuchen verteilen wollten. Deshalb wollten die neuen elitären Okkultisten damit nichts zu tun haben, denn, wie gesagt, die Erleuchtung sollte nicht jedem zu Verfügung gestellt werden. Nach bewährtem Prinzip gründeten sie deshalb 'Neues'. Nicht ihr okkultes Wissen wurde bekannt, umso mehr aber die verbalen Kriege, die zwischen den verschiedenen Richtungen entbrannten. Christliche und nicht-christliche esoterische Gruppierungen entstanden, wenn innerhalb einer Orden die Meinungen auseinander gingen, kam es zu Trennungen, die in Gründungen neuer Orden mündeten. Rosenkreuzer und Freimaurer hatten in dieser Zeit großen Zulauf. Vielen Menschen genügte es nicht, Mitglied bei nur einer Gruppierung zu sein, oft waren die gleichen Personen in unterschiedlichen Organisationen anzutreffen, ja oft war es sogar eine Empfehlung für die Aufnahme in einen Orden, wenn man z.B. schon hochgradiger Freimaurer war.

Unter anderem aus der Kritik an der Freigabe esoterischen Wissens und unter Einfluß des Eintritts von Frauen in okkulte Kreise, wurde 1889 in England der später so bekannt gewordene "hermetic Order of the Golden Dawn" gegründet. Man kann jetzt aber ruhig sagen, daß auch dieser Orden aus der Theosophische Gesellschaft heraus gewachsen ist.

Viele der Geheimgesellschaften hielten ihre Kenntnisse so geheim, daß sie jetzt nichts mehr als nur ein Name sind, wenn überhaupt noch ein Name existiert. Anders ging es mit dem "Golden Dawn". Trotz Eid zur Geheimhaltung publizierte einer der (nicht mal so hochgradigen) Mitglieder, Israel Regardie, 1937 fast das ganze Geheimwissen des Ordens. Diese Veröffentlichung ist auch jetzt noch eines der grundlegendsten Werke der Magie im 20. Jahrhundert. Sehr viel Wissen aus den verschiedensten Richtungen der Esoterik und des Okkultismus wurde von den Golden Dawn Leuten zusammengetragen, und, und gerade das ist das wichtige, in ein zusammenhängendes magisch-okkultes System gebracht. Damit war eine, bis dann einzigartige, Lernhierarchie für esoterisches Wissen geschaffen. So sind z.B. Kenntnisse der Astrologie, des Tarot, der Kabbala, der Alchemie, der Freimaurerei, der Rosenkreuzer und der christlichen Magie im magischen System des Golden Dawn wiederzufinden. Mit der Gründung der GD war die Zeit von hauptsächlich Theorien und gelegentlichen Ritualen vorbei; theoretische Kenntnissen waren noch immer sehr wichtig, aber praktische Rituale waren jetzt angesagt. Gerade diese magischen Riten zogen neue Mitglieder an wie ein Magnet das Eisen. Bekannte Personen meldeten sich als Mitglied an, u.a. der Dichter und Nobelpreisträger William Butler Yeats und der Autor Arthur Edward Waite, dem wir das Rider-Waite Tarot verdanken.

In dieser Zeit von lebhaften Gründungen und wieder Auflösungen von Orden, Tempeln oder Brüderschaften verschiedenster Art, gründete in 1895 der Österreicher Karl Kellner den Osttemplerorden, den Ordo Templis Orientis, abgekürzt O.T.O. Wie vielen anderen Orden, arbeitete dieser O.T.O. auch hauptsächlich im Verborgenen. Dieser Orden unterschied sich von den vielen anderen Orden dadurch, daß man sich hier theoretisch und praktisch nicht nur, aber auch mit Sexualmagie beschäftigte. Sexualmagische Praktiken waren nicht neu, sie waren z. B. schon aus fernöstlichen Lehren und aus der Antike bekannt. Im Europa aber, wo die Unterdrückung alles Sexuellen für den größten Teil der Bevölkerung zur Kultur gehörte, was dieser Aspekt des O.T.O. etwas Neues und Gewagtes.

Bei der Sexualmagie handelt es sich um magischer Anwendung der Kräfte des Libido, die bei sexueller Erregung freigesetzt werden. Statt Extasetechniken mit Drogen, körperlicher Überanstrengung oder Fasten, wird hier die Sexualität benutzt. Die Energie, die auf dem Höhepunkt eines sexuellen Akts freigesetzt wird, wird in ein visualisiertes Ziel geladen, damit dieses Ziel sich verwirklichen kann.

Der O.T.O. benutzte hierzu nicht nur fernöstliche Quellen, wie z. B. das Tantra, sondern auch westlicher Quellen, wie das Buch Magia Sexualis des Amerikaners Randolph. Dieser Orden wäre wahrscheinlich genauso wie viele andere auch in Vergessenheit geraten, wenn nicht später Aleister Crowley ihn übernommen hätte.

Und damit sind wir wieder bei Aleister Crowley, und es ist jetzt auch der Moment, uns etwas über den Menschen Crowley zu informieren.

Am 12. Oktober 1875 wird Edward Alexander (später also Aleister) Crowley in Leamington, Warwickshire, England geboren. ACs Vater war, außer ein erfolgreicher Bierbrauer, auch Abstinenzler, und zog als Laienprediger durch das Land. Nach Aussagen ACs, war die Mutter eine der scheinheiligsten und blindgläubigsten Menschen, denen er je begegnet sei. ACs spätere anti-christliche Äußerungen werden wohl mit diesen Jugenderfahrungen mit christlicher Engstirnigkeit Zuhause zusammenhängen, dies soll aber keine Entschuldigung dafür sein.

AC war wohl genauso eklig wie viele kleine Jungen; er soll z.B. eine Katze zu Tode gequält haben, bloß um herauszufinden, ob diese wirklich neun Leben hätte. Und ein selbstgemachtes Feuerwerk kostete ihn fast sein noch junges Leben. Seine Mutter soll ihm einmal in einem Wutausbruch als das 'Große Tier' beschimpft haben. (Aus der Johannes-Apokalypse, wo auch die Zahl dieses Tiers, die 666, entnommen wird.) Vielleicht erklärt das seine spätere Begeisterung, wenn er anfängt sich selber so zu nennen, wenn er es auch in der altgriechischen Form tut: "To Mega Therion".

1892 kommt AC auf eine Schule, wo Homosexualität gängig war; es stellte sich heraus, daß sein Zimmergenosse sich anderen Jungen als Prostituierter verkaufte. Er ließ sich auf eine andere Schule versetzen, wo er nach kurzer Zeit Gonorrhöe (Tripper) bekam. Schon zuvor war er im Alter von sechzehn Jahren Zuhause durch das Dienstmädchen in sexuelle Vergnügungen eingeweiht worden.

In 1896 hatte er in einem Hotel in Stockholm eine ekstatische Erfahrung, eine spontane Erfahrung von Einsicht in die vielen schönen Möglichkeiten des Lebens. Diese Erfahrung brachte ihn dazu, nach Wegen zu suchen, diese Möglichkeiten zu verwirklichen, und zwei Jahre später begibt er sich, nach einer Begegnung mit George Cecil Jones, auf den Pfad zur magischen Erleuchtung, und das wird ihn sein weiteres Leben beschäftigen. Dieser Jones war ein Mitglied des hermetischen Ordens des Golden Dawn.

Nach seiner Schulzeit, zuerst am Trinity College, später an der Universität von Cambridge, fing AC an, Gedichte und kurze Prosa zu schreiben.

Als sein Vater starb, kam AC schon früh zu Geld, und das ließ er auch reichlich fließen.

In 1898 wurde Crowley Mitglied im Golden Dawn, und, teilweise weil er einer der Günstlinge des Vorsitzenden, MacGregor-Mathers und von einem der wichtigen Mitglieder, Allan Bennett, war, stieg er schnell auf der hierarchischen Leiter des Ordens. Weil aber andere Mitglieder gar nicht so entzückt von Crowley waren, geriet der Orden in eine Zerreißprobe. Nachdem AC in 1900 die notwendigen Studien der GD vollendet hatte, verweigerten die Londoner Führer ihm den dazugehörenden Grad, und deshalb vollführte das Haupt des Ordens, MacGregor Mathers kurze Zeit später in Paris höchstpersönlich die Zeremonie, und AC bekam den Grad des Adeptus Minor. Das verursachte großen Krach; verschiedene Mitglieder verließen den Orden, und es wurden sogar astrale Angriffe auf Crowley und Mathers ausgeführt, das Ganze eskalierte derartig, daß sogar die Polizei schließlich eingreifen mußte.

Zwar blieb AC im Golden Dawn, aber er hatte genug von den Streitereien und fing an, die Welt zu bereisen. Einige Jahre lang zieht er herum, und besucht Mexiko, Ägypten, Indien, Frankreich und Ceylon. In Ägypten, das er mit seiner ersten Frau, Rose Kelly, besuchte, passierte das wohl wichtigste Ereignis in seinem Leben; im März 1904 stellte die aufgestiegene Wesenheit Aiwass Kontakt mit ihm her, AC betrachtete Aiwass später als seinen Schutzengel, und in einer drei Tage lang dauernden Sitzung wurde AC ein Text diktiert. Dieser Text war "The Book Of The Law", Liber Al Vel Legis, das Buch des Gesetzes. Das Buch ist eine Prophezeiung; die Zeit des Horus wird vorhergesagt, das gekrönte und alles erobernde Kind, und für die Menschheit soll eine neue Epoche beginnen. Basisprinzipien dieser Lehre sind:

- "Tu was Du willst sei das ganze Gesetz" (Do What Thou Wilt Shall Be The Whole Of The Law), zu oft mißverstanden als eine Legitimierung für exzessives und antisoziales Verhalten, statt zu erkennen, daß die wirkliche Bedeutung ist, den eigenen 'Wahren Willen' zu entdecken. Die beiden anderen Hauptprinzipien sind:

- "Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen" (Love Is The Law, Love Under Will), und

- "Jeder Mann und jeder Frau ist ein Stern" (Every Man And Every Woman Is A Star).

Wie das so oft bei Religionen ist, die Exklusivität beanspruchen, alle andere Religionen sind falsch und ihre Anhänger müssen ausgerottet werden. Das Buch des Gesetzes ist an vielen Stellen kryptisch, aber gerade über diese Sache wird klare Wein gegossen.

Auf eine Reise durch China mit Frau und Kind, versucht er als erfahrener Bergsteiger vergeblich den riesigen Berg Kangchenjunga zu bezwingen, und besucht, ohne Familie, Kanada und die USA. Zurück in England vernimmt er, daß seine Tochter in Rangoon an Typhus gestorben ist.

1909 trennt er sich von seiner Frau, weil sie an Alkoholismus leidet, und heiratet mehrere Jahre später seine 'scarlet woman' Lea Hirsig. Als seine Tochter aus dieser Ehe auch stirbt, ist AC völlig am Ende, und versucht, möglicherweise aus Anlaß dieses Verlustes, sich in dieser Zeit von einer Drogensucht zu befreien.

Im Jahre 1906/1907 gründete Crowley einen eigenen magischen Orden, den A.A., was steht für Argentum Astrum (Silberner Stern). Manchmal wird auch Astron Argon, Aster Argos und Argentum Astrum geschrieben; Silberner Stern auf Lateinisch und Griechisch.
Mit diesem Orden versuchte Crowley sein Ideal einer individualistischen Lebensweise für Eingeweihte zu realisieren.
Viele spätere Orden und Tempel magischer Schulen benutzten das hier von Crowley entwickelte Gradsystem und sein mystisches und magisches Curriculum. In seinem Buch "Magie in Theorie und Praxis" stellt Crowley in klarer Sprache die Lehren des A.A. dar.

Nach einiger Zeit fing er an, das offizielle Organ des A.A., die umfangreiche, halbjährliche Zeitschrift "The Equinox" herauszugeben. Den Namen verdankt die Zeitschrift seinem Erscheinungsdatum: die Frühjahr- und Herbsttagundnachtgleichen. Der größte Teil der Artikel in diesen Heften wurde von Crowley selber geschrieben.

Nach seiner Scheidung 1909 von Rose Kelly fühlte AC sich frei für die Welt der Drogen und Frauen, er stürzte sich wieder auf die Poesie, und wurde wieder sehr aktiv in der Magie.

1912 kam Crowley in Kontakt mit dem Leiter des Ordo Templis Orientis, O.T.O. (Orden des östlichen Templer). Zuerst wurde er dabei beschuldigt, Geheimnisse über die Sexualmagie dieses Ordens in einem seiner Bücher publiziert zu haben, aber als dieses Mißverständnis gelöst war, wurde er kurze Zeit später das Haupt der englischen Abteilung der O.T.O.

Während des ersten Weltkrieges war AC in den USA, und schrieb dort einige Publikationen, die in seinem Vaterland, England, als pro Deutsch eingeschätzt wurden, und das machte den schlechten Ruf, den er ohnehin in der Presse schon hatte, noch schlimmer.

In 1920 gründet Crowley auf Sizilien seine später so bekannte Abtei des Thelema. (Thelema ist griechisch für 'Wille'). Hier wollte er mit seinen Getreuen nach den Gesetzen des Liber Al leben, in Liebe und Freiheit. Aber schon nach drei Jahren, als in Italien das Mussolini- Regime an die Macht kommt, und die Abtei von Behördenseite verboten wird, kommt diese Initiative zu ihrem Ende, und Crowley wird ausgewiesen.

In der englischen Presse war die Abtei regelmäßig Thema, und es wurde geschrieben von schlimmen schwarzmagischen Ritualen. Sachverständige Information bekam die Öffentlichkeit kaum, und vielleicht gerade deshalb wurden die Geschichten in der Presse immer schlimmer.

Aber AC hatte auch Anhänger, später nannten sie sich Thelemiten, und diese gibt es heutzutage auch noch. Sie legen heute aber Wert darauf, keine 'Crowlyaner' genannt zu werden; dieser Name soll bedeuten, daß Crowleys Anweisungen in den Lehren pünktlich gefolgt werden, weil diejenigen, die sich Thelemiten nennen, die entsprechenden Lehren weiter ausbauten, weiter entwickelten.

Seit 1922 war Crowley auch das Oberhaupt des gesamten internationalen O.T.O. geworden, und war längere Zeit sehr beschäftigt, die Geheimnisse der Magie immer weiter und tiefer zu durchforschen und damit auch praktische Erfahrungen zu sammeln. Auf Grund dieser theoretischen und praktischen Studien schrieb Crowley viele Bücher. Über Astrologie, Tarot, I Ging, Kabbala, Numerologie, Sufismus, Sexualmagie und andere Themen publizierte er grundlegende Erkenntnissen. Heute wird als sein wichtigstes Werk das aus vier Teile bestehendes "Buch Vier: Magick" gesehen, das besteht aus: Teil 1; Mystik, Teil 2; Magie, Teil 3; Magie in Theorie und Praxis und Teil 4; Liber Al Vel Legis.

Teil Eins führt durch die verschiedenen Stufen der Meditation, welche die Basis von Crowleys Auffassung der Magie bildet. Crowley stützt sich dabei auf den Weg des achtfachen Yoga. Damit gehört er zu einem der ersten Europäer, der eine Integration des östlichen Yoga mit der westlichen Magie auch auf praktischer Ebene darbietet. In Teil Zwei führt Crowley seine Leser durch die Symbole der Zeremonialmagie; Tempel, Kreis, Altar, Stab, Kelch, Schwert und noch viele andere Attribute der zeremoniellen magischen Praxis werden ausführlich in ihrer Anfertigung, ihrem Zweck und ihrer Bedeutung vorgeführt. In Teil Drei erläutert Crowley seine Sicht auf die Magie, und gibt, außer der Theorie, auch viele praktische Anleitungen; Prinzipien des Rituals, Formeln für die Elementarwaffen, Tetragrammaton, Albim, IOA, Abrahadabra, usw. werden erläutert, die Wichtigkeit des Schweigens, der Gesten, der Geheimhaltung, des Eids und noch viele andere Aspekte der Magie werden von ihm beschrieben.

Der Mensch Crowley genoß einerseits die Publizität, und hatte sein Verhalten auch daran angepaßt, damit er auch ständig in die Zeitungen kam, er hatte die Reputation, teuflisch zu sein, und als der verdorbenste Mensch auf Erden zu gelten, aber hatte dann zu spät bemerkt, das er dieses Image nicht kontrollieren konnte, es nicht ablegen konnte, als es unbequem wurde.

Er stirbt in Dezember 1947 im englischen Brighton, und als auf seiner Beerdigung vier Tage später, gemäß seinem Wunsch, Texte von ihm gelesen wurden, zeigte sich die englische Presse noch ein letztes Mal schwer erschüttert.

Gerald Yorke, jemand, der Crowley viele Jahre aus der Nähe beobachtet hat und seine Werke sammelte, schrieb über ihn: "Was Crowley auch war, ein Scharlatan war er nicht. Er glaubte, er arbeitete, er litt und er hatte wirklich Macht. Es gelang ihm nicht, die Religion des Thelema innerhalb seines Lebens weltweit zu verbreiten, wer aber die 'Natur', die Eigenschaften dieser Religion kennt, wird das nicht verwundern. Die christliche Welt damals sah AC als einen Repräsentanten des Teufels, und Unwissenden denken heute noch immer so. Crowley hat sich gelegentlich, auch um sein Image aufrecht zu halten, anti-christlich geäußert, aber im Grunde war er nicht so. Die herrschende christliche Religion hat ihn nicht interessiert, er hatte seine eigene Religion, und so wie der Hinduismus oder die Asatru komplett andere Religionen sind, so war auch die Religion des Thelema eine komplett eigene Religion.

Seit Eliphas Levi war Crowley derjenige, der im Bereich der Magie sehr viel entwickelt hat, viele neue Denkanstöße vermittelte, sehr mutig und stark der nach seiner Meinung blind gewordenen Menschheit neue Wege zeigen wollte, und zweifellos als der größte Magier des 20. Jahrhundert gesehen werden kann. Seine komplizierte Persönlichkeit, in bestimmten Bereichen der Magie schweigsam, anderswo sehr sprachgewandt und publizitätsgeil, mal ätzend, mal freundlich und liebevoll, bereit vieles zu opfern, machte, das seine bahnbrechende Arbeit im Bereich der Magie Zeit seines Lebens nur in kleinem Kreis anerkannt wurde. Heutzutage gehören viele Werke Crowleys zur Standardliteratur für diejenigen, die in die westliche Zeremonialmagie einsteigen wollen, viele neue Richtungen der Magie stützen sich ebenfalls auf Werke Crowleys.

Viele Neueinsteiger suchen leider den kurzen Weg zur Praxis der Magie, eine Fastfood-Magie. Crowleys Werke werden, wenn überhaupt, dann zu oft nur teilweise, fragmentarisch oder in Zusammenfassung gelesen. Das führt unvermeidlich zu Mißverständnissen, Unverständnis, falschen Interpretationen, Anti-Crowley-Äußerungen und Scharlatanerie. Crowley sah die Menschheit selber als seine Zielgruppe für Liber Al Vel Legis, heutzutage gibt es Gruppen von Thelemiten, auch im deutschsprachigen Bereich, die 'das unwissende Volk' als blindes Vieh sehen, das man nach Belieben ausnutzen darf. Das ist aber nicht der Weg, den Crowley zeigte, sondern das ist Dekadenz in Extremis, der ultimative Holzweg. Aber verwunderlich ist es nicht, daß es auch solche Nachfolger von Crowley gibt, denn die Essenz der Lehre Crowleys ist wirklich nicht einfach zu verstehen.

 

Datenschutzerklärung
Kostenlose Homepage erstellen bei Beepworld
 
Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der
Autor dieser Homepage, kontaktierbar über dieses Formular!